Aspekte von Angst

Das Phänomen der Angst kann auf drei Ebenen betrachtet werden, die selbstverständlich in der Praxis nicht so scharf zu trennen sind, wie es hier dargestellt wird.

Die Ebene des Symptoms, des konkreten Verhaltens

Hier geht es um die unmittelbar auftretenden, eher „praktischen“ Probleme im Zusammenhang mit dem Angsterleben, es geht darum, die Muster des Angstablaufs zu hinterfragen und an manchen Stellen zu durchbrechen, aus der Opferhaltung herauszugehen und in die aktive Auseinandersetzung mit dem gesamten Problemkomplex einzutreten, gegebenenfalls alte Vermeidungsstrategien aufzugeben, neues Verhalten zu erproben und aufzubauen. Auf dieser Ebene setzt die Verhaltenstherapie an, die – besonders bei Phobien – erstaunliche Erfolge aufzuweisen hat.

Die Ebene des Bewusstseins:

Hier geht es um das Gewahr-werden (in der Gestalttherapie awareness genannt) der äußeren und inneren Vorgänge beim Angsterlebnis und in seinem Umfeld. Ein Therapeut könnte fragen: Wie erleben Sie die Angst, wie erlebt sie Ihr Körper, was spüren Sie genau, welche Gefühle werden deutlich? Welchen Platz hat die Angst in Ihrem Leben? Hier wird gefragt, was die Angst eigentlich „bedeutet“, was sie mit Ihnen macht, was Sie da mit sich machen lassen, wie sie Sie heute an früher erinnert, welche Ambivalenzen erlebt werden, welche äußeren und inneren Konflikte dadurch aktualisiert werden, woran die Angst Sie hindert, wofür es gut sein kann durch die Angst gehindert zu werden. Die Methoden aus der Gestalttherapie auf dieser Ebene sind deutlich erlebnisorientiert und hier nicht angemessen darstellbar. Auf dieser Ebene können auch Spuren von schwierigen eventuell traumatischen Erlebnissen aus der Kindheit sichtbar werden, und die Frage nach der symbolischen Wiederholung dieser Erlebnisse im gegenwärtigen Angstgeschehen auftauchen. Die bewusste Einsicht in die Selbststeuerung alter Ängste und das Experimentieren mit neuen Lösungsversuchen gehört auch auf diese Ebene. Die meisten Formen von Psychotherapie (unterschiedlicher „Schulen“) bewegen sich vorzugsweise auf dieser Ebene, wobei der Zugang zu bisher unbewussten Konflikten und deren Bearbeitung auf bewusster Ebene – je nach Psychotherapierichtung – von mehr oder weniger großer Bedeutung ist.

Die existentielle Ebene:

Auf dieser Ebene sieht man das Angstgeschehen eingebettet in den Zusammenhang mit existentiellen Fragen, die den Einzelnen und seine Beziehung zur Gemeinschaft betreffen. Hier geht es um die Grenzen unserer Existenz, um unsere Endlichkeit, unseren Lebensentwurf, die Sinnhaftigkeit unseres Tuns und unseres ganzen Lebens. Hier kann beispielsweise die Diskrepanz zwischen unseren Lebenszielen und Visionen und unserer konkreten Lebenswirklichkeit thematisiert werden und in Bezug zum Angstproblem gesehen werden. Auf dieser Ebene begegnen uns die Themen Tod, Einsamkeit, Sinn des Lebens und Freiheit. Jede verantwortungsvoll konzipierte Psychotherapie wird diese Ebene berühren – wenn der Patient es will. Hier kann das zum Tragen kommen, was das Stichwort „Angst als Chance“ meinen kann, nämlich die Auseinandersetzung mit Grundfragen unseres Lebens. Diese Auseinandersetzung kann schmerzhaft sein, aber auch ein sehr wesentlicher Schritt in unserer persönlichen Entwicklung.

Eva Lohr Praxis für Psychotherapie | Rehlingstr.16, 79100 Freiburg, Tel. 07664 7074